Im heutigen Beitrag widmen wir uns einer Sache, die alltäglich sein sollte, aber meist für viele eine große Herausforderung darstellt – die Kaufpreisverhandlung für Deinen Immobilienkauf. Oft ist es die größte Investition, die im Leben eines Menschen bzw. einer Familie ansteht.
Wie läuft eine Verhandlung üblicherweise ab? Wie verhandelst Du den Kaufpreis einer Immobilie richtig? Warum haben so viele Leute „Bammel“ vor diesem Zeitpunkt bzw. diesen Prozess? Wie kannst Du mit ein paar einfachen Tricks mehr für Dich herausholen? Wie bekommst Du etwaige “Verhandlungsspielchen” Deines Gegenübers zum Erliegen oder wie kannst Du diese enttarnen? Wie verhältst Du Dich, wenn die Verhandlung zum Erliegen kommt oder es plötzlich sogar emotional wird?
Du musst nicht der beste Verhandler auf dem Planeten werden. Denn um einen Verhandlungserfolg zu erzielen, reicht es bereits, ein besserer Verhandler zu sein als Dein jeweiliges Gegenüber.
Inhaltsverzeichnis
#1 Verhandlungsführung & die fünf Schritte einer Verhandlung
#1.1 Macht: Machtposition verstehen, “Machtspielchen” entlarven
#1.2 Kommunikation: Aktives Zuhören und Empathie
#1.3 Ziel → Win-Win, Schlüssel: Dahinter liegende Interesse verstehen
#1.5 Closing: Das Ende der Verhandlung oder Verhandlung ohne Ende
Step 1 – Macht: Machtposition verstehen, “Machtspielchen” entlarven
In einer Verhandlung geht es um Macht, nicht immer um die tatsächliche Macht, sondern oft auch nur um die wahrgenommene Form. Es ist ein Phänomen, dass sowohl Du selbst als auch dein Gegenüber denkt, er habe weniger Macht als der jeweils andere. Du solltest nicht der Täuschung erliegen, dass Du Dich bei der Verhandlung nur selbst mit dieser vermeintlichen Angst auseinandersetzen musst. Das liegt nämlich daran, dass Du selbst lediglich Deine eigenen Limitationen und Zwänge kennst, derer Du dann (vermeintlich) unterliegst. In unserem Kontext beispielsweise mangelndes Eigenkapital oder einen Tiefstpreis, den Du von der zu finanzierenden Bank bekommen hast, etc. Auch der Gegenüber hat Zwänge und Limitationen, die dazu führen, dass das Gegenüber Deine Macht als größer empfindet. Diesen Fakt kannst Du Dir zunutze machen und gleichzeitig Deine gefühlte Machtlosigkeit reduzieren.
Machtspielchen kannst Du entlarven, lass Dich davon nicht verunsichern. Es gibt bspw. die “Verschiebetaktik”, die Dich im Vorfeld bereits Mürbe machen soll. Oder der Klassiker: Ein Makler sagt Dir, es gebe noch einen oder zwei weitere Interessenten, die den gleichen oder sogar einen höheren Preis zu zahlen bereit sind.
Ein anderer Trick ist das “Nicht-Antworten”, damit erreichst Du, dass sich die Gegenseite unkomfortabel fühlt.
Deine eigene Macht-(position) kannst Du stärken. Wie funktioniert das? Du erarbeitet Dir eine Alternative, einen “Plan-B”, auf den Du zurückkommen kannst, wenn bspw. der favorisierte Deal nicht klappt oder die Verhandlung zum Erliegen kommt. Der Gegenüber nimmt automatisch wahr, dass Du Dich nicht allein auf diesen einen Deal verlässt. Deshalb die Empfehlung: Verhandle immer zunächst eine Alternative, bevor Du zu Deinem Favoriten gehst. Durch gewisse Prinzipien kannst Du den Eindruck von Macht erzeugen (Knappheitsprinzip, Zeitlimits, kein Interesse zeigen oder vorzutäuschen, eine höhere Autorität hinter sich haben).
Wichtig vorweg: Sei hart in der Sache, nicht aber Deinem Gegenüber. Du möchtest Deinem Verhandlungspartner auch nach einer Verhandlung auf Augenhöhe begegnen, bzw. in die Augen schauen können. Daher solltest Du nicht um jeden Preis eine Verhandlung führen bzw. Deinem Gegenüber “unter der Gürtellinie” begegnen.
Step 2 Kommunikation: Aktives Zuhören + Empathie
Lerne Dein Gegenüber erst einmal kennen und hören ihm aufmerksam zu. Wichtig dabei: Aktives Zuhören! Du kannst dies am besten zeigen, indem Du nicht nur “aktiv” zuhörst, sondern auch gezielte Rückfragen stellst. Diese Phase ist sehr wichtig, da Du dort Beweggründe herausfindest, die Dir später helfen, Einfluss auf die Lösung zu nehmen.
Was sind die Ziele Deines Verhandlungspartners? Was ist Deinem Verhandlungspartner (besonders) wichtig? Nicht immer geht es dabei um Geld, sondern häufig auch um Stolz oder das Gesicht zu wahren. Der klassische Fall ist, dass sich bspw. ein männliches Gegenüber noch mit dem Verkauf am Stammtisch brüsten möchte und schließlich etwas “tolles herausgeholt hat”. Der Verhandlungspartner möchte in der Regel ein Narrativ haben, um in unserem Fall einen Verkauf für sich zu begründen. Das kann auch sein, dass bspw. allgemein ja bekannt ist, wie viel Arbeit Immobilien machen.
Step 3 Ziel → Win-Win, Schlüssel: Dahinter liegende Interesse verstehen
Ein Win-Win-Ergebnis in einer Verhandlung scheint oft schwer zu erreichen. Um ein solches Ergebnis zu erzielen kannst Du Dir folgendes Konzept zunutze machen:
Das Harvard Konzept – im Vordergrund steht der größtmögliche beiderseitige Nutzen: Nach diesem Konzept ist es nicht wichtig die Positionen, sondern die jeweiligen dahinter liegenden Interessen zu kennen (Beispiel: zwei Schwestern brauchen jeweils eine Orange, es gibt aber nur eine und sie werden sich nach längerer Verhandlung nicht einig. Dann kommt die Mutter und teilt die Orange. Das Ergebnis: Jeder hat eine Hälfte der Orange, dabei hätte die eine Schwester gerne einen Saft gehabt und die andere hätte nur die Schalen der Orange zum Backen eines Kuchens verwendet. Was lehrt uns das Beispiel? Verstehe die dahinterliegenden Interessen, oft kannst Du dadurch gemeinsam ans Verhandlungsziel kommen. Direkte Fragen können dabei helfen, z.B.: “Lieber Verkäufer, was soll, neben dem Preis, der optimale Deal für Dich beinhalten?”
Sei Du das Vorbild in der Verhandlung! Geh mit gutem Beispiel voran und lege Limitationen offen, das schafft Vertrauen.
Step 4 Tricks & Taktiken
Bei diesem Punkt möchte ich nur einige Schlagworte nennen, wie den Anker-Effekt, Framing oder das Fairness-Prinzip. Im nachfolgenden habe ich einige der Prinzipien kurz und knapp beschrieben.
Anker-Effekt:
Der Effekt beschreibt die Tatsache, dass Menschen bei Entscheidungen von Umgebungsinformationen beeinflusst werden, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst wird. Das klassische Beispiel ist der Immobilienkauf, wo durch einen niedrig gesetzten Angebotspreis des Käufers oder einen bereits sehr hoch gesetzten Angebotspreis des Verkäufers das Gegenüber auf diesen Preis “geankert” wird. Es fällt daher schwer, sich von dieser Zahl zu trennen. Antwortet man also auf ein Gebot, ist man zögerlich, wenn dieses sehr weit vom Angebotspreis weg liegt. Der Tipp hier: Du darfst Dich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Oft kennt Dein Gegenüber diesen Trick und wendet ihn bewusst an. Leider kommt es aber auch vor, dass man dadurch vom Prozess disqualifiziert wird, wenn Du das Gegenangebot zu niedrig angesetzt.
Framing:
Framing-Effekt oder Framing (deutsch etwa: Einrahmungseffekt) bedeutet, dass unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft – bei gleichem Inhalt – das Verhalten des Empfängers unterschiedlich beeinflussen.
Studien zum Verbraucherverhalten legen nahe, dass die Menschen eher weniger als mehr Auswahlmöglichkeiten begrüßen, was sich auf die Gestaltung von Verhandlungen auswirkt.
Dies kannst Du Dir zunutze machen, indem Du drei ähnliche, gleichwertige Angebote legst.
Wenn Du mehrere gleichwertige, gleichzeitige Angebote unterbreitest, zeigst Du der anderen Parteien, worauf Du am meisten Wert legst. Die Reaktionen wiederum geben Aufschluss über ihre Prioritäten. Gemeinsam kannst Du eine Vereinbarung ausarbeiten, die den wichtigsten Interessen aller Rechnung trägt. Darüber hinaus bieten die Angebote den Verhandlungspartnern die gewünschte Auswahl, ohne dass die Gefahr einer “Entscheidungslähmung” besteht.
Fairness-Prinzip:
Forscher haben drei Fairnessnormen identifiziert, auf die sich Menschen häufig berufen: Gleichheit (in diesem Fall eine 50:50-Aufteilung des Gewinns), Gerechtigkeit (eine Aufteilung im Verhältnis zur Leistung, was Ihren Partner begünstigen würde) sowie Notwendigkeit (eine Aufteilung, die Sie und Ihre Familie begünstigt).
Der Psychologe David Messick hat herausgefunden, dass sich die Menschen bei der Wahl dieser Fairnessnormen in der Regel von ihrem eigennützigen Wunsch nach mehr leiten lassen. Das heißt, unsere Gier bestimmt, wie wir Fairness in einer bestimmten Verhandlungssituation definieren.
Bei jeder Verhandlung solltest Du Dich bemühen, Fairnessüberlegungen an die Oberfläche zu bringen, damit jeder die Bedürfnisse und Wünsche des anderen versteht.
Tit for That:
Du solltest Taktiken anwenden, um dem anderen entgegenzukommen, bspw. nach “Tit for Tat”:
Was bedeutet “Tit-for-tat”? In einer Verhandlung wird Tit-for-tat als strategische Spiegelung der Aktion Deines Gegenübers aus der vorherigen Runde definiert. Wenn die andere Seite etwas tut, das Dir nützt, solltest Du im Gegenzug etwas tun, das Deinem Gegenüber nützt. Versucht jemand jedoch, Deine Position negativ zu beeinflussen, solltest Du ebenfalls negativ reagieren. Bei diesem, auch als “Mirroring” (engl. spiegeln) bekannten Effekt, kopierst Du die Aktionen Deines Verhandlungspartners.
Prospect-Theory
Die Theorie besagt, dass Menschen sich zu sicheren Dingen hingezogen fühlen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit die bessere Wahl ist. Das nennt man den Gewissheitseffekt (Certainty Effect). Und die Menschen gehen größere Risiken ein, um Verluste zu vermeiden, als um Gewinne zu erzielen. Dies wird als Verlustaversion (Loss Aversion) bezeichnet. Deshalb kaufen Menschen, die statistisch gesehen keinen Bedarf an einer Versicherung haben, diese. Du solltest Dir dessen bewusst sein, damit Du diesen in einer Verhandlung nutzen oder erkennen bzw. umgehen kannst. Einen interessanten Artikel zu diesem Thema findest Du hier.
Eine Möglichkeit, mit Taktik ans Ziel zu kommen ist es Vergleichsobjekte (sogenannte “Comparables”) heranziehen, Transparenz schaffen – speziell bei utopischen Preisvorstellungen.
Lege Stärken und Schwächen eines Objekts offen. Ein ständiges Herumreiten auf den Nachteilen bringt oft nicht weiter und vermittelt eher das Gefühl, Du möchtest das Objekt gar nicht haben.
Step 5 Closing: Das Ende der Verhandlung oder Verhandlung ohne Ende
Eine Verhandlung endet nicht immer mit einem Deal. Dessen musst Du Dir bewusst sein. Egal wie viel Zeit und Herzblut Du in einen Deal gesteckt hast, wenn Du das festgelegt, bzw. vorher definierte Verhandlungsziel verfehlst, solltest Du den Deal auch abhaken können.
Leider passiert es häufig, dass man die Zeit und Mühe dann als nicht verloren ansehen will. Das Phänomen ist als “Sunk Cost’s Fallacy”-Phänomen bekannt.
Es führt zu idiotischen Entscheidungen, weil man das Gefühl bekommt, man “muss den Deal machen”.
Mit diesem Problem sieht sich aber auch Dein Gegenüber konfrontiert. Vielleicht warst Du bereits 5-mal dort, hast verhandelt und das über einen längeren Zeitraum.
Ansonsten lass immer eine Tür offen, wenn du an den Verhandlungstisch zurückkehren willst.
Fazit
Übung macht den Meister, das gilt auch am Verhandlungstisch.
Auch im Alltag kannst Du Verhandlung üben, je selbstverständlicher dieser Aspekt für Dich wird, desto einfacher fällt es Dir, wenn es darauf ankommt. Du denkst in Deutschland kann man nicht verhandeln außer beim Auto- oder Immobilienkauf oder sowas gibt es nur auf alten orientalischen Märkten? Falsch gedacht, die meisten Dinge sind verhandelbar. Nicht immer ist eine Verhandlung über den Preis möglich. Du kannst aber die Zahlungsbedingungen oder Lieferkonditionen zu Deinen Gunsten verhandeln.
Du kannst beispielsweise auch Immobilienprojekte verhandeln, die Du gar nicht vor hast zu kaufen. Natürlich geht dies dann belastend in die Beziehung zu dem Käufer oder dem Makler mit ein. Im Job, bei der Gehaltsverhandlung oder auch bei kleinen Dingen des Alltags kann es sich vorteilhaft für Dich auswirken, in die Verhandlung zu gehen und sei es nur mit Deinen Kindern oder dem Partner.
Zusammengefasst:
Mache Dir die Machtposition bewusst und hinterfrage die Position Deines Gegenübers. Dadurch kannst Du feststellen, dass auch Dein vermeintlich mächtigeres Gegenüber Schwächen hat.
Kommunikation und Information sind der Schlüssel zu erfolgreichen Verhandlungen, ich höre aktiv zu und beachte auch die Gefühle Deines Gegenübers. Insbesondere bei emotionalen Themen sollte jeder am Ende sein Gesicht wahren.
Verstehe die wahren Interessen Deines Gegenübers und lege auch Deine Interesse offen, nur so ist ein Win-Win möglich.
Taktiken & Tipps aus der Forschung und von Profi’s helfen psychologische Stolpersteine zu kennen und zu überwinden oder für sich zu nutzen.
Der Schluss heißt nicht immer einen Deal. Achte auf die “Sunk-Cost-Fallacy” und führe einen schlechten Deal nicht um jeden Preis zu Ende, auch wenn bereits viel “Blut und Schweiß” hineingeflossen ist.
Weitere lesenswerte Literatur zum Thema Verhandlung (“Deal – Du gibst mir was ich will!”) und auch Videos bei Youtube findest Du bei Prof. Jack Nasher. Mit seiner Berufserfahrung als professioneller Verhandlungsführer hat er schon einige Verhandlungen zum Erfolg geführt. Ebenso interessant kann eine etwas unkonservativere Literatur von einem ehemaligen Polizeiverhandlungsführer sein, die aber auch eine Überleitung zum geschäftlichen Umfeld herleitet. “Der Verhandlungsführer – Taktiken, die zum Erfolg führen” von Matthias Schranner. Ein weiterer Impuls-Link zu diesem Thema.